Digitale & analoge Beteiligungsformate

Verbindung zwischen digitaler und analoger Beteiligungsformate im Rahmen städtebaulicher Planungsprozesse mit Mixed-Reality

Mehr erfahren

Ausgangslage

Städte und Kommunen gehen heute immer stärker dazu über, ihre Bürgerinnen und Bürger bei Planungsprozessen einzubinden. Das sind klassischerweise analoge Informationsveranstaltungen oder auch Bürgerabende, wo gemeinsam Planungen diskutiert werden.

Aktuelle Bürgerbeteiligungsformate haben ein paar Schwächen. Beispielsweise findet die Planung nicht am Ort des Geschehens statt. Oder die jeweiligen Planungsentwürfe sind nur schwierig zu visualisieren und zu kommentieren oder zu ändern.

ZIEL

Das Projekt KAIROS hat es sich zum Ziel gesetzt, die aktuelle Bürgerbeteiligung im Bereich der Stadtplanung zu analysieren, um dann auf Basis eines menschzentrierten Ansatzes, neue Mixed-Reality-Lösungen zu gestalten, zu implementieren und in der Praxis auszurollen. Zum einen geht es darum, dass das was analog bei Bürgerabenden geplant wird, zu erfassen und im Hintergrund automatisiert in ein digitales 3D Modell zu übersetzen. Dieses digitale Abbild kann dann am tatsächlichen Ort über Mixed-Reality-Technologien eingesehen, kommentiert und ggf. sogar modifiziert werden können.

VORGEHEN

In dem Projekt werden zu Beginn Workshops und Diskussionsrunden organisiert, um alle Beteiligten, Bürgerinnen und Bürger aktiv einzubeziehen und ihre Ideen und Bedenken zu sammeln. Dies bildet die Grundlage für die weitere Planung, bei der qualitative empirische Methoden wie Interviews und Fokusgruppen zum Einsatz kommen, um tiefere Einblicke in die Bedürfnisse der Gemeinschaft zu erhalten. Diese Erkenntnisse werden kontinuierlich in die Entwicklungen integriert, um eine Lösung zu erhalten, die die Interessen und das Wohlbefinden aller Beteiligten berücksichtigt.

< clip-path="url(#clip0_417_4381)">

Projektskizze

2024 - 2026
Technologien
Zielgruppe
Status

Die Idee

Projektbeschreibung

Das Forschungsprojekt KAIROS, mit den geförderten Partnern FernUniversität Hagen, netzfactor GmbH, Stadt Bad Berleburg und Gemeinde Erndtebrück, verfolgt das Ziel, digitale und analoge Beteiligungsformate im Rahmen städtebaulicher Planungsprozesse in Kommunen zu vereinen und mittels Mixed-Reality (MR)-Technologien und Ansätzen aus der cyber-physischen Systemforschung zu erweitern.

Dabei werden die Vorteile beider Formate genutzt, um eine niedrigschwellige, barrierefreie und erlebnisorientierte Benutzungsschnittstelle zwischen kommunalen Akteuren und BürgerInnen zu schaffen. Durch die Nutzung von MR-Technologien sollen Planungsvarianten in der realen Umgebung visualisiert und begehbar und durch cyber-physische Komponenten greifbar gemacht werden, um den Bürger:innen frühzeitig und ortsbezogen einen Eindruck des aktuellen Gesamtbildes frühzeitig zu vermitteln und somit Interessenskonflikte für einzelne Planungsvorhaben zu vermindern.

Das Projekt KAIROS baut auf langjähriger Forschungsexpertise im Bereich der Bürgerbeteiligung und Human-Computer-Interaction sowie der Anwendungsfall-bezogenen Entwicklung von MR-Anwendungen und Cyber-Physischen Systemen auf. Das Projekt wird ab Oktober 2023 in den beiden beteiligten Kommunen durchgeführt, um den Prozess von der ersten Planung bis hin zur möglichen Genehmigung zu erforschen. Es werden kommunale Netzwerkveranstaltungen und bereits etablierte Kooperationsstrukturen zur Verbreitung der Projektergebnisse genutzt. Ebenso wird eine wirtschaftliche Verstetigung und Weiterverwertung angestrebt. Hierfür wird ein Maßnahmenkatalog zur technischen Weiterentwicklung der Demonstratoren hin zur Marktreife erarbeitet und ein Verstetigungskonzept für die langfristige Einführung und Etablierung in den Markt entwickelt.

Partner

Die Professur rund um Prof. Dr. Thomas Ludwig der FernUniversität Hagen arbeitete innerhalb des am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Siegen angesiedelte Forschungsprojekt Creative Citizen zusammen. Das Projekt erprobte digitale Beteiligungsformate für BürgerInnen, Öffentlichkeit und Stakeholder im Kontext von Infrastrukturvorhaben (z.B. Windkraft, Verkehr) sowie Stadt- und Regionalentwicklung (z.B. Gestaltung und Revitalisierung öffentlicher Flächen). Mittes menschzentrierter Methoden wurden Anforderungen erhoben und Funktionen für das Beteiligungsinstrument partizipativ mit Stakeholdern erarbeitet. Im Rahmen des Projekts wurden unterschiedliche mobile Informations-Apps und erste prototypische ARAnwendungen entwickelt, die in Kommunen erprobt werden konnten.

Gemeinde Erndtebrueck

Die Gemeinde Erndtebrück liegt am Südhang des Rothaargebirges und hat etwa 7.500 Einwohner. Mit einer über 750-jährigen Geschichte besteht die Gemeinde aus dem Kernort und acht weiteren Ortsteilen. Im Jahr 2018 wurde ein Integriertes Kommunales Entwicklungskonzept (IKEK) beschlossen, das durch einen umfassenden Bürgerbeteiligungsprozess Stärken und Schwächen der Gemeinde analysierte und daraus Handlungsziele und Projekte ableitete. Während Projekte aus dem IKEK fortlaufend umgesetzt werden, konzentriert sich die Gemeinde nun auf eine vertiefte Entwicklungsstrategie für den Kernort, um gezielte Projekte über das Instrument ISEK zur Umsetzungsreife zu bringen.

Stadt Bad Berleburg Logo

Bad Berleburg, eine Stadt mit 23 Dörfern und knapp 20.000 Einwohnern auf 275 km², ist die zweitgrößte Flächenkommune in Nordrhein-Westfalen. Gemeinsam mit vier anderen Kommunen und der Südwestfalen Agentur beteiligt sich Bad Berleburg am Bundesmodellvorhaben „Smart Cities Made in Germany“, um das Projekt „Smart Cities: 5 für Südwestfalen“ bis Herbst 2026 zu realisieren. Die Stadt hat in den letzten Jahren nachhaltige Entwicklungs- und Digitalisierungsprojekte in verschiedenen Ortsteilen vorangetrieben. Im Fokus steht die Sicherung der Infrastruktur für Wohnen, Arbeiten, Versorgung und Mobilität, wobei die Lebensqualität der Bevölkerung und ihre Bedürfnisse stets im Mittelpunkt stehen.

netzfactor Logo

Die netzfactor GmbH, 2003 von Jörg Muschiol gegründet, spezialisiert sich auf die Entwicklung komplexer Software, insbesondere Informations- und Kommunikationsplattformen auf Basis von Internettechnologien sowie mobiler Apps für Android und iOS. Die Kompetenzen umfassen serverbasierte Webservices, Datenbanken, Webportale, Virtual- und Augmented Reality sowie Usability und User Experience. Zudem bietet das Unternehmen IT-Infrastruktur-Design und Cloudcomputing an. Im Projekt "Ambient Information 4 All" erreichte netzfactor den 1. Platz im EFRE.Stars NRW 2021 Wettbewerb, was eine solide Basis für das Projekt KAIROS bildet.

News

Workshop Marktplatz Bad Berleburg

Im November 2024 fanden in Bad Berleburg im Bürgerhaus am Markt die ersten Anwenderworkshops der Modellkommune Bad Berleburg statt. Sowohl Jugendliche als auch Erwachsene testeten den aktuellen Stand der KAIROS-Technologie. Grundlage für die im Workshop verwendeten 3D-Modelle waren hierbei die Ergebnisse des Zukunftsrates, welcher im Vorjahr stattgefunden hatte. Im Zukunftsrat hatten sich Jugendlichen mit der Frage beschäftigt, wie der Marktplatz im Anschluss an die Öffnung der Odeborn aussehen soll. Wie könnten Aufenthaltsbereiche für Verweilen, für Freizeit und Gastronomie aussehen? Wo könnten Spiel- und Sportgeräte für Kinder- und Jugendliche platziert werden? Welche Standortmöglichkeiten gibt es für Konzerte?

In den Workshops hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, einen Blick auf den Marktplatz nach Abschluss der laufenden Baumaßnahmen im Rahmen der Odebornöffnung zu werfen und ihre Ideen zur Platzierung verschiedener, ausgewählter Mobiliare zu visualisieren.

„Die Jugendlichen haben im Zukunftsrat tolle Ideen gesammelt und entwickelt, die wir mit KAIROS nun virtuell sichtbar machen können“, berichtete Projektkoordinatorin der Stadt Bad Berleburg, Julia Eitzenhöfer. „Das Gute an KAIROS ist, dass alle Menschen ihre Ideen einbringen und direkt virtuell umsetzen können. Das visualisiert Vorhaben nicht nur, sondern kann Planungsprozesse insgesamt auch beschleunigen“, erklärte Jens Steinhoff. Der Projektkoordinator der Stadt Bad Berleburg nannte als Beispiel eine Sitzgelegenheit: „Diese entsteht dann virtuell direkt vor den eigenen Augen.“

Die Teilnehmenden erarbeiteten in den Workshops verschiedene Szenarien, die am Ende in offenen Diskussionsrunden gemeinsam erörtert wurden. Auch die Wünsche und Anforderungen der Teilnehmenden an die Weiterentwicklung der KAIROS-Anwendung war hier ein wichtiges Thema, zu welchem die Jugendlichen und Erwachsenen wertvollen Input lieferten, der in der weiteren Projektarbeit Verwendung finden wird.

Frau mit VR-Brille Vorstellung im Sitzkreis mit VR-Brille Zeitungsartikel Wie digitale Technik den Bad Berleburger Marktplatz in 3D greifbar macht von Siegener Zeitung Älterer Mann mit VR-Brille

Workshop Realschule Erndtebrück

An den Tagen des 14. und 15. Novembers füllte sich die Aula der Realschule in Erndtebrück mit insgesamt 40 Schülerinnen und Schülern. Im Rahmen ihres Politikunterrichtes konnten die Jugendlichen hautnah Erfahrungen in der Thematik der demokratischen Teilhabe sammeln.

Bürgerbeteiligungen finden in Kommunen häufig im analogen Rahmen, bei Infoveranstaltungen oder Bürgerabenden statt – einen Vorgeschmack darauf, welche Möglichkeiten es zukünftig geben könnte, diese Entscheidungsprozesse digital mitzugestalten, bekamen die Teilnehmern bei diesem Workshop. Gegenstand für die Beteiligung war die Außengestaltung des Schulhofgeländes, also eine schülernahe und wichtige Entscheidung. Unterstützend dabei waren 5 Meta Quest Brillen der FernUniversität Hagen. In einer 3D Applikation der Realschule konnten die Schülerinnen und Schüler Objekte platzieren, skalieren, bewegen oder duplizieren – entweder direkt mit der 3D Brille auf der Nase, oder durch die passive Ansicht über einen gekoppelten Bildschirm.

Die Abrundung des Workshops schaffte der initiierte Bürgerabend, bei dem die Teilnehmer die Bürgerschaft darstellten. Vor dem Plenum brachten sie, an der großen Leinwand über die Meta Quest Brille, ihre Ideen für ihre Schulhofgestaltung ein. Hier entwickelte sich eine spielerische Leichtigkeit, die den Austausch untereinander ankurbelte. Es war eine große Freude die unterschiedlichen Herangehensweisen, Nutzungen, Hemmungen oder die auch Freiheit im Umgang mit den MR Technologien der Schülerinnen und Schüler zu sehen. Für das Projekt KAIROS konnten dabei gute Erkenntnisse gewonnen werden.

Präsentation des KAIROS Projektes Schülergruppe testet mit der VR-Brille die 3D Applikation Schülerinnen wird die Bedienung der VR-Brille erklärt Vorschau der 3D Applikation auf dem Tablet

Workshop ELSI

Ergebniszusammenfassung des „ELSI“Workshops mit Projektakteuren am 05.12.2024

In dem Workshop (Videokonferenz) befassten sich die Projektpartner gemeinsam mit Fachleuten aus den Verwaltungen der beteiligten Kommunen und weiteren projektbeteiligten Institutionen (lokale Datenschutzbeauftragte, IT-Experten, Personalräte, Gleichstellungsbeauftragte und Schiedsleute) mit ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen (ELSI) von Technikforschung und –entwicklung. In einem Einführungsbeitrag ordnete Prof. Thomas Ludwig, Fernuniversität Hagen zunächst die Thematik „ELSI“ im Zusammenhang mit den Inhalten und Zielen des Projektes KAIROS ein. Hierzu gehören ethische Fragen wie Privatsphäre, Fairness und Gleichberechtigung ebenso wie die Frage nach den rechtlichen Rahmenbedingungen oder auch der gesellschaftlichen Akzeptanz, einschließlich kultureller, ökonomischer und politischer Aspekte. Zentrale Themen der anschließenden offenen Diskussion waren Chancen und Risiken durch den Einsatz der KAIROS-Anwendung, sowie organisatorische und technologische Anforderungen der Akteure an die Entwicklung der Anwendung.

Ergebniszusammenfassung: Beurteilung Chancen und Risikenbeurteilung

  • Der Einsatz der Anwendung bietet zahlreiche Chancen, die sowohl die Bürgerbeteiligung als auch die Planung von Projekten erheblich verbessern können. Eine plastische, dreidimensionale Darstellung von Projekten fördert die räumliche Vorstellungskraft der Nutzer.

  • Insbesondere wenn es um massive Auswirkungen auf das Umfeld und die Umwelt geht, wie beispielsweise bei der Entwicklung von Windkraftanlagen, ist dies ein besonderes herauszuhebender Vorteil technischer Unterstützung in der kommunalen Beteiligungskultur. Eine solche „Live-Darstellung“ von Planungen kann dazu beitragen, Unsicherheiten zu minimieren und die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen.

  • Weiterhin ist besonders in der Gruppe der Jugendlichen mit einem erhöhten Interesse für digitale Beteiligungsprozesse zu rechnen. Indem junge Menschen in den Kommunen aktiv in die Entwicklung ihrer Heimat einbezogen werden, können sie sich stärker mit den Projekten und der Entwicklung ihrer Heimat identifizieren.

  • Eine weitere große Chance besteht in einer breiten Akteursbeteiligung in virtueller Form. sehen die Beteiligten des Workshops im Erreichen von räumlich und zeitlich gebundenen Menschen. Durch eine Web-Anwendung können Menschen, die mit ihren Zeitmöglichkeiten oder in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, besser und flexibler an Beteiligungen partizipieren, sofern ein Präsenztermin für sie nicht zugänglich ist.

  • Dennoch gibt es auch Risiken, die mit dem Einsatz der Anwendung verbunden sind. Viele Menschen haben noch grundsätzliche Berührungsängste gegenüber neuer Technologie und sind mit deren Potenzialen nicht vertraut.

  • Zur Beseitigung solcher Einschränkungen ist es wichtig, alle Bürgerinnen und Bürger an die Technik heranzuführen und sie über die den Nutzen und über Möglichkeiten der Anwendung aufzuklären. Dies gilt insbesondere für komplexe Projekte wie z.B. Vorhaben zum Ausbau der Windkraftnutzung, bei denen unterschiedliche Erwartungshaltungen von Bürgerinnen und Bürgern an eine Planungsbeteiligung zu berücksichtigen und anforderungsgerecht zu gestaltet sind.



Ergebniszusammenfassung: Anforderungen an die weitere Entwicklung der Anwendung

Die Anforderungen, die die Workshopteilnehmenden an die Anwendung stellen, sind vielfältig.

  • Organisatorisch sollte darauf geachtet werden, auch Seniorinnen und Senioren einzubeziehen und sie bei der Anwendung zu begleiten.

  • Weiterhin sollten Anreize zur Teilnahme geschaffen werden, und die Ansprache sollte in einfacher Sprache erfolgen, um die Anwendung benutzerfreundlich zu gestalten.

  • Technologisch ist eine einfache und intuitive Bedienbarkeit von größter Bedeutung, um eine breitere Zielgruppe anzusprechen.

  • Die Anwendung sollte zudem barrierearm gestaltet sein, sowohl sprachlich als auch in der visuellen Gestaltung, und eine anonyme Form der Beteiligung bieten.

Kontakt

Projekt Kairos

Universitätsstraße 11
58097 Hagen

02331 9872444

info@projekt-kairos.de

Gefördert durch

Partner

Bundesministerium für Bildung und Forschung Logo Logo FernUniversität in Hagen Logo Erndtebrück am Rothaarsteig Logo netzfactor Logo Bad Berleburg